Ohne Zuwendungswillen gibt es keine verdeckte Gewinnausschüttung

Eine durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasste Vermögensverschiebung von einer Kapitalgesellschaft an einen Gesellschafter setzt einen Zuwendungswillen voraus – und ein solcher kann aufgrund eines Irrtums des Gesellschafter-Geschäftsführers fehlen. Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs ist es insoweit maßgebend, ob der konkrete Gesellschafter-Geschäftsführer einem Irrtum unterlegen ist, nicht hingegen, ob einem ordentlich und gewissenhaft handelnden Geschäftsleiter der Irrtum gleichfalls unterlaufen wäre.

Hintergrund: Bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) handelt es sich – vereinfacht – um Vermögensvorteile, die dem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gewährt werden. Eine vGA darf den Gewinn der Gesellschaft nicht mindern.

Sachverhalt
Geklagt hatte eine GmbH, deren Stammkapital durch die alleinige Gesellschafter-Geschäftsführerin u. a. durch die Einbringung einer Beteiligung von 100 % an einer weiteren GmbH erbracht werden sollte. Bei der einzubringenden GmbH wurde eine Kapitalerhöhung durchgeführt, die die Gesellschafter-Geschäftsführerin begünstigte. Das Finanzamt sah hierin eine vGA der GmbH an ihre Gesellschafter-Geschäftsführerin. Dagegen argumentierte die GmbH, dass die Zuwendung an die Gesellschafter-Geschäftsführerin irrtümlich wegen eines Versehens bei der notariellen Beurkundung der Kapitalerhöhung erfolgt sei.

Das Finanzgericht Schleswig-Holstein wies die Klage ab, weil einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter der von der GmbH dargelegte Irrtum nicht unterlaufen wäre. Der Bundesfinanzhof hat nun aber klargestellt, dass es für die Frage, ob der für die Annahme einer vGA erforderliche Zuwendungswille vorliegt, allein auf die Person der konkreten Gesellschafter-Geschäftsführerin ankommt. Er verwies den Streitfall deshalb zur weiteren Sachaufklärung an das Finanzgericht zurück.

Merke: In seiner Urteilsbegründung zum Vorliegeneiner vGA führt der Bundesfinanzhof aber auch Folgendes aus: Der handelnde Gesellschafter muss nicht mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis handeln, er muss den Tatbestand der vGA nicht kennen und er muss das Geschehene auch nicht richtig würdigen. Vielmehr genügt in aller Regel ein persönlich zurechenbares Handeln.   Diese Grundsätze gelten aber nicht uneingeschränkt, da es zur Annahme einer vGA – so wie bei einer offenen Gewinnausschüttung – eines Zuwendungswillens bedarf.

Quelle: BFH-Urteil vom 22.11.2023, Az. I R 9/20,BFH, PM Nr. 20/24 vom 11.4.2024

Gut zu wissen – Was ist eine verdeckte Gewinnausschüttung?

Eine verdeckte Gewinnausschüttung (kurz: vGA) ist eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung bei einer Kapitalgesellschaft, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und nicht in Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.

Dies bedeutet, dass der Vorteil, den ein Gesellschafter von der Gesellschaft erhält, unter Fremden so nicht gewährt worden wäre. Ein klassisches Beispiel hierfür ist die Zahlung eines überhöhten Gehalts an einen gesellschaftlich verbundenen Geschäftsführer. Eine vGA ist steuerrechtlich relevant, weil sie bei der ermittelnden Körperschaft das Einkommen nicht mindern darf und somit das zu versteuernde Einkommen erhöht. Beim Gesellschafter führt die verdeckte Gewinnausschüttung zu Einkünften aus Kapitalvermögen, die der Kapitalertragsteuer unterliegen.

Die Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung sind vielfältig. Auf der Ebene der Kapitalgesellschaft führt sie zu einer Einkommenserhöhung, da die vGA das Einkommen nicht mindern darf und somit die Steuerlast erhöht. Zudem kann es zu einer Nachversteuerung bei der Gesellschaft kommen, sollte die verdeckte Gewinnausschüttung erst später entdeckt werden. Auf der Ebene des Gesellschafters führt die verdeckte Gewinnausschüttung zu Einkünften aus Kapitalvermögen, die entsprechend versteuert werden müssen.

Komplex wird es bei Beteiligungsketten, da auf jeder Ebene der Kette die vGA voll als Einkommen erfasst wird und zu einer Kaskadenwirkung führen kann, bei der die Steuerbelastung höher ist als bei offenen Gewinnausschüttungen. Dies liegt daran, dass die verdeckte Gewinnausschüttung auf jeder Stufe 100% beträgt und nicht um nicht abziehbare Aufwendungen vermindert wird, wie es bei offenen Gewinnausschüttungen der Fall wäre.

Um eine verdeckte Gewinnausschüttung zu vermeiden, ist es wichtig, dass Vereinbarungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter klaren, im Voraus getroffenen und zivilrechtlich wirksamen Regelungen folgen und auch tatsächlich so durchgeführt werden. Ein Wettbewerbsverbot im Gesellschaftsvertrag kann beispielsweise eine vGA darstellen, wenn die Einwilligung aller Gesellschafter fehlt und somit das Verbot umgangen wird.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die verdeckte Gewinnausschüttung weitreichende steuerliche Konsequenzen hat, sowohl für die Gesellschaft als auch für den Gesellschafter. Sie ist ein komplexes steuerliches Konstrukt, das sowohl in der Praxis häufig vorkommt als auch in der steuerlichen Prüfung eine bedeutende Rolle spielt.